Die Dysfunktion, d.h. die gestörte Funktion zwischen Kopf (lat. Cranium) und Unterkiefer (lat. Mandibula) mit all ihren Auswirkungen auf andere Bereiche des menschlichen Körpers nennt man Craniomandibuläre Dysfunktion CMD.
Das Hauptaugenmerk der Therapie liegt auf der Beseitigung akuter und chronischer Schmerzen durch Verbesserung der muskulären Balance. Beschwerden in den Kiefergelenken, den Kau- und Nackenmuskeln stehen dabei im Zentrum der Therapie, genauso wie die Behandlung von Kopfschmerzen, Rückenschmerzen, Schwindel oder Tinnitus. Die Craniomandibulären Orthopädie beinhaltet die ganzheitliche Therapie der CMD. Der zentrale Baustein der Therapie ist die Beseitigung der Fehlstellung des Unterkiefers durch Entspannung der Kaumuskulatur. Hierin liegt der gravierende Unterschied zu allen anderen Behandlungen dieser Art.
Die Kaumuskulatur bewegt den Unterkiefer und ist so „programmiert“, dass die Zähne des Ober- und Unterkiefers punktgenau zusammenpassen. Wenn der ganze Biss beispielsweise zu niedrig ist oder der Unterkiefer eine Rücklage hat, muss die Kaumuskulatur besonders anstrengende Bewegungen ausführen. Das kann auf Dauer zu vielfältigen Beschwerden führen.
Der Faktor Zeit spielt bei der Entstehung schmerzhafter Beschwerden eine wichtige Rolle.
Unabhängig davon, ob ein zu niedriger Biss durch Zahnersatz, kieferorthopädische Behandlung oder Zahnverlust verursacht wurde, kann die verminderte vertikale Distanz zwischen Ober- und Unterkiefer durch die Störung des Gleichgewichts der Muskulatur zu Erkrankungen des Innenohrs, zum Hörverlust, zur Trigeminusneuralgie und beispielsweise Tinnitus führen.
Der gewohnheitsmäßige Biss fördert eine bestimmte Kopfhaltung. Die Kaumuskeln müssen ihre Aktionen unmittelbar mit der Nacken- und Halsmuskulatur „abstimmen“ und letztendlich bestehen Verbindungen in alle Körperregionen nicht nur über Muskeln und sogenannte Muskelketten, sondern über Knochen und Bindegewebe u.v.a.m. Von Kopf bis Fuß ist alles mit allem verbunden; Alles andere wäre eine Überraschung! Erfahrene Therapeuten wissen seit langem, dass ein Beckenschiefstand oder eine seitliche Verbiegung der Wirbelsäule erheblichen Einfluss auf die Kopf- und Kieferhaltung haben. Andererseits unterliegt der Körper auch Einflüssen, die nichts mit dem Kausystem zu tun haben. In unserem Körper, der wie ein dreidimensionales, viskoelastisches System aufgebaut ist, wirkt der exakte Zusammenbiss der Zähne wie eine Adjustierung für die Funktion der Muskeln, Sehnen und Bänder. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Biss das Resultat kieferorthopädischer oder umfangreicher Zahnersatz-Behandlungen ist oder ob er als Resultat einer natürlichen Entwicklung auftritt, die wir als Abweichung von der Normalität ansehen, wie beispielsweise beim inferior vertical strain.
Typische Körperhaltung in Verbindung mit gestörter Kieferentwicklung mit entsprechendem Fehlbiss. Die Grundlage kann eine abweichende kraniale Entwicklung sein
Trotzdem ist die Aufdeckung der kausalen Zusammenhänge der wichtigste Faktor für eine erfolgreiche Therapie im Rahmen der CMO. Die Kopfhaltung, die Beckenstellung u.v.a.m. sind so eng mit dem gewohnheitsmäßigen Biss verbunden, dass es keinen Sinn macht, die Bissstellung zu korrigieren, ohne den gesamten Körper mit zu behandeln. Umgekehrt ist immer an den schädlichen Einfluss des gewohnheitsmäßigen Bisses zu denken, wenn bei andauernden Beschwerden in der Nacken- und Halsmuskulatur, dem unteren Rücken oder dem Beckengürtel durch verschiedene physiotherapeutische Behandlungen nicht dauerhaft zu beseitigen sind.
Verschiedene Kopfschmerzlokalisationen
Bei der NMFAL wird das Hauptaugenmerk auf die ganzheitliche Diagnostik im Kopf-, Kau-, Hals- und Nackenbereich gelegt. Dazu gehören Untersuchungen der gesamten Körperhaltung durch Fotometrie genauso wie orthopädische Testverfahren.
Im Craniomandibulären Bereich werden vor allen manuelle Untersuchungen der Muskulatur vorgenommen, während speziell an den Kiefergelenken durch eine spezielle Analyse Veränderungen in bestimmten Belastungsrichtungen erkannt werden können. Bei bestimmten Befunden ist eine weiterführende Diagnostik im MRT oder auch DVT erforderlich.
Welche Symptome führen zum Verdacht, dass eine CMD vorliegen könnte
oder dass durch ungünstige Konstellationen im Kausystem und den Kiefergelenken Beschwerden in anderen Körperregionen ausgelöst werden:
Auswahl von Beschwerden innerhalb des Kopf-Kieferbereiches
Schmerzen, Spannungsgefühl in den Kaumuskeln und/oder in den Kiefergelenken beim Kauen oder auch in Ruhe,
belastungsempfindliche Zähne, durch Zähneknirschen abgenutzte Zähne, Knirsch- und Knackgeräusche in den Kiefergelenken,
verschiedene Arten von Kopfschmerzen, wie Migräne, Clusterkopfschmerz, Gesichtsschmerzen, neuralgische Beschwerden,
Trigeminusneuralgie, Schmerzen hinter den Augen…
Aqualizer im Mund (Modell)
Auswahl von Beschwerden außerhalb des Kopf-Kieferbereiches:
Arm-, Schulter-, Nackenschmerzen, Rückenschmerzen, Beschwerden im Beckengürtel usw. vor allem, wenn die bisherigen Therapien nicht oder nur kurzfristig geholfen haben.
Schwindel, Tinnitus, Schluckbeschwerden, Gefühl des verstopften Ohres, Schmerzen wie bei einer Kieferhöhlenentzündung, ohne dass in dem betroffenen Bereich eine Ursache gefunden wird, aber auch häufige Infektionen der Kieferhöhlen und des Ohres.
Nach ausführlicher Anamnese dient die Diagnostik dem Auffinden der Ursachen für die gestörte craniomandibuläre Funktion. Dabei entsteht aus vielen Details ein Gesamtbild wie ein Puzzle, das die Grundlage für das weitere diagnostische und therapeutische Vorgehen darstellt.
Zu dieser Untersuchung gehört auch der Reaktionstest mit einem Aqualizer.
Der Aqualizer ist eine konfektionierte Schiene, die aus zwei miteinander
verbundenen Wasserkissen besteht, die man zwischen den Zahnreihen des Ober- und Unterkiefers so platziert, dass man nicht mehr zusammenbeißen kann.
Solange er im Mund getragen wird, können also keine Zahnkontakte entstehen. Das führt nach einer Zeit von ca. 20 bis 30 Minuten dazu, dass die Kaumuskeln mehr und mehr entspannen können.
Wenn die bisherige Diagnostik dafürspricht, dass die hauptsächlichen Beschwerden mit der Behandlung des Kausystems günstig beeinflusst werden können, erfolgt die weitere Diagnostik computergestützt. Sie dient der Bestimmung der gesunden Bissstellung.
Dafür nutzen wir das spezielle Verfahren der Elektromyografie in Kombination mit der zeitgleichen Aufzeichnung der Bewegung des Unterkiefers. Es werden erhöhte oder zu geringe Spannungszustände der Muskeln erkannt, genauso wie Asymmetrien. Letztendlich entsteht ein umfassendes Bild des Zustandes der Kau-, Hals- und Nackenmuskulatur in verschiedenen Funktionen, vor allem im Zusammenhang mit den Bewegungen des Unterkiefers.
Die umfangreichen Messungen geben dem Behandler die größtmögliche Kontrolle über den Verlauf der Behandlung. Mit den Messungen wird einmal der Anfangszustand erfasst und dann nach entsprechender Behandlung der Muskulatur das Ergebnis und der Vorgang der Bissbestimmung kontrolliert.
Diese Art der Bissbestimmung nennt man myozentrisch, weil dafür nur die entspannte Muskulatur bei möglichst aufrechter Kopf- und Körperhaltung die Stellung des Unterkiefers und somit den Biss beeinflusst.
Die Differenz zwischen dem „alten“ krankmachenden und dem neuen gesunden Biss wird danach mit einer Aufbissschiene ausgeglichen. Diese ermöglicht dann wieder „richtig“ zusammen zu beißen und zwar so, dass die Zähne des Oberkiefers auf die Kauflächen der Schiene im Unterkiefer in der veränderten neuen gesunden Position auftreffen.
Für die Behandlung der Kau-, Hals- und Nackenmuskulatur nutzen wir niederfrequente TENS. Dabei werden die entsprechenden Muskeln durch sehr geringe elektrische Impulse stimuliert. Das führt im Ergebnis zu einer, Verbesserung der Durchblutung, die in der Regel eine Abnahme der Verspannungen und Schmerzen im Muskel zur Folge haben.
Diese Bissbestimmung mit entspannter Muskulatur ist der wesentliche Unterschied zu den meisten anderen „Schienentherapien“.
Weitere Informationen erhält man unter www.iccmo.de
Mit entspannter Muskulatur zeigt sich, dass die Höhe im hinteren Bereich des Bisses zu gering ist. Das ist der gesunde Biss! Diese sichtbare Differenz wird mit der Schiene ausgeglichen.
Durch die „Installation" eines Bisses, der im Einklang mit dem muskulären Gleichgewicht funktioniert, kann sich die Funktion im gesamten Craniomandibulären Bereich und darüber hinaus wieder normalisieren.
Aufbiss-Schienen auf Modell: Im hinteren Bereich, dem Seitzahngebiet, hat die Oberfläche der Schiene Kauflächen. Dieser Teil der Schiene gleicht die Differenz zwischen krankmachenden und gesundem Biss aus. Diese Schiene sollte 24/7 getragen werden. Von vorn ist die Schiene fast nicht sichtbar. Sie ist so gebaut, dass man damit Essen, Sprechen und Kauen kann.
Die Behandlung mit einer myozentrischen Aufbiss-Schiene steht einerseits am Ende der umfangreichen Diagnostik und andererseits am Anfang der Therapie.
Diese Schiene, die in den meisten Fällen im Unterkiefer eingesetzt wird, hat Kauflächen wie die richtigen Zähne und muss so lange dauerhaft getragen werden, bis die hauptsächlichen Beschwerden nicht mehr auftreten oder sich auf ein erträgliches Maß reduziert haben.
Damit ist der neue gesunde Biss installiert: Die Kau- Hals- und Nackenmuskeln, die Kiefergelenke und alle weiteren Teile des Bewegungs- und Stützapparates können nun in einer günstigeren Weise zusammen funktionieren.
Der endgültige gesunde Biss ist nicht in allen Fällen durch eine einzige myozentrische Bissregistrierung zu erreichen. Die Veränderungen, die nicht nur das Kausystem, sondern den gesamten Körper betreffen erfordern mehr oder weniger Zeit. Deshalb ist in individuell festzulegenden Zeitabständen eine Bissüberprüfung notwendig
Gesunde Bissrelation: links ist das Registrat (blau) sichtbar. Im Seitzahngebiet sieht man die Differenz zwischen den Zähnen des Ober- und Unterkiefers
Zeitgleich mit der Schienentherapie wird der gesamte Körper behandelt.
Hierfür kommen Physiotherapie, Osteopathie, besonders craniosacrale Therapie, und Orthopädie in Frage. Neurologen, HNO- und Lungenärzte, besonders im Zusammenhang mit obstruktiver Schlafapnoe spielen in unserem Netzwerk eine wichtige Rolle.
Wenn die „Schienentherapie“ dazu geführt hat, dass die hauptsächlichen Beschwerden auf ein erträgliches Maß reduziert wurden oder ganz verschwunden sind, kann auf das Tragen der Schiene ganz oder teilweise wieder verzichtet werden.
Im Seitzahngebiet ist nun die Differenz zwischen den Zähnen des Ober- und Unterkiefers durch eine Schiene ausgeglichen: Die gesunde Bissrelation ist nun hergestellt
Allerdings stellen ca. 5% der Patienten fest, dass die Beschwerden wieder zunehmen, wenn die neue gesunde Bissstellung durch den Verzicht auf die Schiene nicht mehr vorhanden ist.
Deshalb ist es in einigen Fällen notwendig, die Bissstellung der Schiene auf die eigenen Zähne zu übertragen. Diese Behandlung verfolgt das Ziel, die Zähne in ihrer Größe, Form und Stellung im Zahnsystem so anzupassen, dass sie die gleiche Bissstellung bewirken, die zuvor durch die Schiene erreicht worden ist.
Nach erfolgreicher Schienentherapie wurde die Schiene durch aufgeklebte Langzeitprovisorien aus Kunststoff ersetzt
Wenn der gesunde Biss durch Zahnprothetik umgesetzt wird, gilt der Grundsatz: Gesunde Zahnsubstanz möglichst erhalten! Das reicht vom Ausgleich geringer Differenzen durch Füllungen mit Composite, über das Aufkleben von neuen Kauflächen aus Keramik bis hin zur Erneuerung von alten Kronen und Brücken. In allen diesen Fällen wird die Schiene aber nicht gleich durch die endgültige Keramikkaufläche, Krone oder Brücke ersetzt, sondern erstmal durch einen provisorischen Aufbau, der dem endgültigen Ergebnis in Form und Funktion deckungsgleich ist. Dieser wird für mindestens 3 Monate provisorisch getragen und kann im Zweifel sogar noch verändert werden. Diese Langzeitprovisorien simulieren die Funktionsweise des neuen gesunden Bisses in allen Lebenslagen und sind somit der endgültige Test für das angestrebte Therapieergebnis.
In manchen Fällen muss die zahnprothetische Behandlung mit kieferorthopädischen Behandlungen kombiniert werden.
Ästhetische kieferorthopädische Behandlungen - konventionelle Kieferorthopädie
Die Konstruktion der ORA kann hier aus urheberrechtlichen Gründen leider nicht gezeigt werden. Entsprechendes Informationsmaterial steht in der Praxis zur Verfügung.
Mit diesem kieferorthopädischen Gerät, sog. ORA (Osseo Restoration Appliance), kann der Oberkiefer vergrößert werden. Der zu kleine und meist nach hinten verlagerte Oberkiefer ist eine der häufigsten Ursachen für Zahnfehlstellungen und CMD.
Eine herausragende Stellung hat die neuartige kieferorthopädische Behandlung mit ORA und ControlledArch.
Weil mit dieser Behandlung auch die knöcherne Grundlage des Kausystems des Mittelgesichts und der Schädelbasis verbessert wird, erfolgt eine viel tiefgreifendere, umfassendere, komplexere Veränderung.
Diese Therapie hat eine hohe Vorhersagbarkeit und ist auf lange Sicht die beste Wahl, zumal in der ersten Phase der Behandlung sogar noch die myozentrische Aufbissschiene getragen werden kann.